Zeitungsartikel MAZ

Herzsprung/Papenbruch. Andrea Berthold ist am Ende. Bei jedem Gedanken an ihre Zukunft muss die gestandene Frau schlucken. Der Leiterin des Tierheims in Herzsprung geht nicht nur das Geld aus, auch ihr Nervenkostüm wird immer dünner. Denn sie bangt um ihre eigene Existenz genauso wie um die der unzähligen Tiere, die sie aufgenommen hat. Von den Kommunen des Landkreises fühlt sie sich im Stich gelassen, ist regelrecht verärgert „über so viel Gleichgültigkeit“ und denkt sogar über einen Wegzug nach. Dann gäbe es im ganzen Landkreis nur noch ein kleines privates Tierheim, aber jede Menge Probleme mit Streunern.

Momentan leben 60 Hunde, 45 Katzen und jede Menge Klein- und Nutztiere wie Ziegen, Esel oder lungenkranke Pferde im Herzsprunger Tierheim. Andrea und René Berthold betreiben es seit sieben Jahren und stehen kurz vor dem wirtschaftlichen Ruin. „Es gibt viele Kommunen, die hundertprozentig hinter ihren Tierheimen stehen und ihnen immer wieder, wenn auch nur kleine, Zuschüsse geben“, sagt Andrea Berthold. Denn laut Gesetz ist ein Fundtier als „Fundsache“ Eigentum der Gemeinden und Städte. Die Ordnungsämter, oder auch in Ausnahmefällen die Polizei, sind dafür verantwortlich, die Tiere unterzubringen, bis sie der Besitzer im Idealfall wieder abholt. Somit übernehmen Tierheime, die sich um die Fundtiere kümmern, eine kommunale Aufgabe, für die viele Gemeinden aber nicht geradestehen wollen oder können. Diese Tatsache hat die Bertholds hart getroffen. „Keine einzige Kommune unterstützt uns“, beklagt die Betreiberin. Gibt es allerdings Probleme mit entlaufenden Tieren, klingelt bei ihr sofort das Telefon. „Formal ist zwar das Ordnungsamt zuständig, aber die Verantwortung wird auch zu uns geschoben, selbst wenn wir keine Plätze frei haben.“ Daraufhin hat das Tierheim erst kürzlich alle Fundtierverträge mit den Kommunen im Landkreis gekündigt. Allein Wittstock habe daraufhin das Gespräch gesucht und bemühe sich nun um eine Lösung.

Finanziell unterstützt wird das Tierheim einzig vom Förderverein Notfell-Hilfe Nord mit Sitz in Graal-Müritz (Mecklenburg-Vorpommern) und ist zu 80 Prozent auf Spenden angewiesen. „Die sind in den vergangenen Jahren rapide zurückgegangen“, sagt Berthold. Feste Sponsoren kommen nicht etwa aus der Region, sondern sitzen teils kilometerweit weg. Zudem steht das Tierheim mit Tausenden von Euro beim Tierarzt in der Kreide. „Wir wünschen uns mehr Engagement fürs Tierheim. Schließlich rücken wir im Notfall immer aus“, sagt René Berthold. Allein in der vergangenen Woche hätten sie 21 Fundkatzen aufnehmen sollen, konnten aber nur eine beherbergen, weil sie restlos überfüllt sind. Das Betreiberpaar denkt ernsthaft darüber nach, die Region und vielleicht sogar das Land Brandenburg zu verlassen. „Wenn es so weitergeht, sehen wir keine andere Möglichkeit, als mit all den Tieren und Mitarbeitern umzuziehen.“ Nicht zu wissen, was der Morgen bringt, zerrt an den Kräften der Tierschützer.

Ganz anders ist die Lage ein paar Kilometer weiter nördlich bei Sven Galle in Papenbruch. Der 47-Jährige betreibt sein kleines Tierheim seit 19 Jahren und kann sich über die Zusammenarbeit mit den Gemeinden und Städten nicht beklagen. Er hat Verträge mit sechs Kommunen in der Prignitz und mit sieben in der Ostprignitz geschlossen, die teils schon viele Jahre laufen. „Ich erwirtschafte natürlich kein Vermögen, kann mich aber gut über Wasser halten“, sagt Galle. Ein Tier kostet ihn pro Tag zehn Euro. Durchschnittlich bleiben die Vierbeiner 72 Tage bei ihm, ehe sie vermittelt werden. Momentan ist auch er 01gut ausgelastet und nimmt für jeden Hund abhängig von Rasse, Alter und aufgelaufener Tierarztkosten 100 bis 150 Euro Vermittlungsgebühr. Die Katzen gibt er gegen einen freiwilligen Obolus an Interessenten ab. Nachdem die letzten verbliebenen Tierheime in Pritzwalk und Wusterhausen aus finanziellen Gründen dicht gemacht haben, hatte Galle immer mehr Zulauf und Anfragen von Kommunen. Warum das bei den Bertholds nicht funktioniert, ist ihnen selbst ein Rätsel.

Abgesehen von den beiden Tierheimen gibt es nur noch zwei Gnadenhöfe in Kyritz und Kolrep, die aber nicht vordergründig vermitteln, sondern eher dafür da sind, den Heimen alte und kranke Tiere abzunehmen. Entlastung wünscht sich auch Gabriele Haase-Frohmüller, die Vorsitzende des Tierschutzvereins Ostprignitz-Ruppin, der für Neuruppin, Temnitztal, Rheinsberg, Lindow, Fehrbellin und Wusterhausen zuständig ist. „Die Städte und Gemeinden sind verwöhnt, weil ihnen die Tierheime die Probleme abnehmen“, sagt Haase-Frohmüller. Auch dem Verein sind finanziell die Hände gebunden. Er wird jährlich mit je 1500 Euro von der Stadt Neuruppin und dem Landesumweltamt gefördert und gibt die Fundtiere nur bei privaten Pflegestellen ab. Haase-Frohmüller hofft, dass Neuruppin Geld in die Hand nimmt und in ein stadteigenes Tierheim investiert. Aber auch Rheinsberg rege sich nicht.

Von Luise Fröhlich

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